Einführungsrede von Ute Kaldune, Kunsthistorikerin, anlässlich der Ausstellungseröffnung 2019
„Ich freue mich sehr, einige wenige kommentierende Worte zu der Ausstellung sagen zu dürfen und möchte mich wirklich nochmals zu Beginn bedanken, bei der Sabina Flora und bei dem Norbert Bücker( der sitzt getarnt unter einer Tarnkappe, das ist ein Hut,) die das Projekt vor drei Jahren ins Leben gerufen haben und, es ist wirklich nicht selbstverständlich, mit so viel Engagement und auch im Grunde dieser langen Kontinuität dann auch, dieses Projekt auf die Beine zu stellen.
Es ist so, dass nicht nur die Künstler und die beteiligten guten Geister dieser Ausstellungen, Gesichte, Flashes und Zuflüsterungen bekommen, mir ging es nicht besser ist es nicht besser - also da muss ich mich hinterher noch bei der Flora beschweren, bei der Sabina Flora - Die Zuflüsterungen die sind so weit gegangen, dass ich mich gefragt habe, ob es so etwas gibt wie „be inspired“, als Imperativ. Und das möchte ich eigentlich dieser Ausstellung als Schatten zugrunde legen. Be inspired! Das betrifft alle: das Publikum, die Kunstfreunde, die kunstfernen Geister, die Künstler die ausstellen und auch uns schreibendes Gewerbe, die Kunsthistoriker gleichermaßen.
Die gezielte Aushebelung standardisierter Ausstellungsformate, die möchte ich hier wirklich loben.
Es ist ein Ausstellungsformat, das A nur scheinbar spielerisch ist. B basiert es nicht auf dem Erfolg einer guten Zuflüsterung, wie das Kinderspiel, das wir alle kennen. Und drittens ist es eine kleine ballettartige Seitendrehung.
Wen würde es wundern, wenn nicht diese Vielsprachigkeit dieser Ausstellung auch genau das spiegelt.
Es ist unkonventionell. Es ist nicht rein leise. Es ist es nicht auf Perfektion gepolt. Und es ist, frei nach dem Motto: können Gedanken Bilder werden? Be inspired.
Ich habe mich gefragt, bei der Vorbereitung, ob ich Zuflüsterungen bekomme. Es hat sich nichts dergleichen getan. Diese Rede war harte Arbeit. Aber ich habe den Künstlern unterstellt, dass es auch einige gab, denen befohlen wurde: „untere rechte Ecke Schwarz malen“. Sie wissen alle, wen ich meine.
Aber ich möchte doch ganz gerne [ich nur privat, ganz leise, es kann jeder sich leise outen] nochmal den treffen, der solche Zuflüsterungen hatte, denn ich unterstelle auch: einige haben schlecht geschlafen, die mitgemacht haben.
Also, wer Zuflüsterungen hatte, bitte zu mir. Ich hatte die, aber die waren nicht konstruktiver Art, die waren labyrinthisch.
Das Ausstellungsformat „Chinese Whisper“ ist tatsächlich ein ungewöhnliches Ausstellungsformat . Und es ist auch nicht konterkarierend zu klassischen Themen. Und auch nicht zu dem, was man erwarten darf: Ein Motto. Zehn Künstler. Das hängt an der Wand. Machen Sie sich ein Bild.
Wer perfektioniert ist, der wird es dann in der Kunstgeschichte oder woanders in der Philosophie schon mal vorbereiten und wird lächelnd an der Wand entlang gehen und sich dann mit den Objekten der Begierde beschäftigen.
Das geht hier nicht. Denn Chinese Whisper -Stille Post, ist tatsächlich an beide Seiten - die Aktiva, die Passiva möchte ich jetzt mal offenlassen, ob es die Bilder sind oder das Publikum, wer hier aktiv oder passiv ist - ist an beide Seiten eigentlich gedacht als eine Chance, eine Offenheit, eine Neugier zu erleben und sich wirklich auch sofort zu verlieben oder direkt abzuwenden und zum Nachbarbild zu gehen und eine Chronologie zu bekommen, die man überhaupt nicht logisch ordnen kann. Ich finde es wunderbar.
Mein Dank noch mal an den Norbert Bücker, der es mit initiiert hat vor drei Jahren, aus Recklinghausen kommend, an die Sabina Flora, unbeschreiblich kreativ und wild, für jede verrückte Idee zu haben, was ich sehr schätze, ganz generell auch an meiner Arbeit schätze, seit 30 Jahren mit Künstlern zu tun zu haben. Frei nach dem Motto: Zwei Künstler. Hundert Anträge. In die Post - Aus der Post. In die Post - Aus der Post. Tausend Telefonate. Und viel viel Selbstmotivation. Vorfreude, hoffen, bangen, inspirieren, genervt sein und Sponsoren und Teilnehmer motivieren, dafür hätte ich gern einen Applaus für die beiden.
Ich werde es ein letztes Mal tun: Be inspired ist für mich der Knotenpunkt, wo das Publikum mit den Bildern tatsächlich ein Reiz- -Reaktionsmuster bildet und danach auch auf Augenhöhe ist, denn, das passierte allen die hier mitgemacht haben als Teilnehmer. Post aufmachen ist noch aufregend. Das Vorfinden nicht immer. Und dann, sich mit dem Gegenüber beschäftigen. Respektvoll. Auf Augenhöhe. Neugierig. Und, ich sage es gern - ich bin ja ganz im Beuysschen Sinne unterwegs - verstehen, auch wenn mir das nicht immer gelingt. Verstehen ist in eignen Standort verlassen und dann mit einem Perspektivwechsel neu beginnen. Das Bild auf dem Kopf drehen. Leise fluchen. Sich freuen. Amüsiert sein. Im Tageslicht und im Halbschatten gucken, was mit mir Kontakt aufnimmt.
Das ist halt hier passiert. 71-mal. Drei Jahre lang. Ich finde es wirklich ganz, ganz außergewöhnlich. Be inspired findet statt, im Schatten einer Ausstellung die natürlich nicht vordergründig das Spielerische und auch nicht das Kinderspiel meint. Es geht hier um das Staunen. Es geht um nahe und ferne Verwandte und eine klassische doppelte Dynamik. Die eine ist unfreiwillig, deshalb nenne ich die zuerst, und die ist unterstellt von mir, die andere würde ich tatkräftig verteidigen.
Die unterstellte Dynamik ist die, dass man tatsächlich das Medium Malerei, Zeichnung auch musikalischen Vertonungen, kleine Objekte, kleine Schriftkommentare innerhalb eines Kunstwerks, in Zeiten einer solchen Bildzirkulation, wie wir sie die letzten 10 Jahre habe, 20 Jahre haben und in der Digitalisierung, eine ganz neue Struktur finden.
Das finden wir in der modernen Kunst kommentiert. Und dass finden wir auch innerhalb der Ausstellung. Insofern ist es für mich doppelte Dynamik. Generelle Gesetze der kreativen Geister, die noch nie anders waren. Die waren bei Caravaggio genauso wie heute. Bei den Impressionisten genauso, wie heute. Immer abhängig von technischen Innovationen. Das spiegelt diese Ausstellung unfreiwillig.
Aber, auf der anderen Seite geht es um den künstlerischen Dialog. Der ermöglicht, mit großer Frische und Relevanz, Möglichkeiten des Zeichenverstehens zu interpretieren und des Spiegelns von Bildern zu zeigen.
Auch im Kontext, dass man hier natürlich eine Rarität erzeugt indem eine Ausstellung einmal im Jahr - also Entschuldigung, das war viel Mühe - einmal im Jahr, zwei Tage, also die Kostbarkeit des Momentes, der wird mitgeliefert. Den bekommen Sie als gratis, nicht nur als Besucher der Ausstellung, sondern auch als Teilnehmer.
Ich finde es gute Idee, aber eine sehr unkonventionelle Idee. Und damit wird alles wieder rund und schließt sich zum Kreis.
Interpretation, Wahrnehmung, eine Hymne an die Reruns. Zu denen kommen wir gleich noch, die sind hier nämlich bewiesenermaßen zu finden. Es hat mich sehr gefreut, weil ich finde im Alltag kommt es zu kurz, dass man staunt, dass man das Träumen gut findet und ich finde es kommt auch deutlich zu kurz, dass man den Mythen glaubt.
Inspiration, Intuition, all das ist hier bewiesen. Aber wir leben in einer Zeit in der das negiert ist oder spätestens dann beim Nachbarn ein großes Stirnrunzeln verursacht.
Chinese whisper: für mich eine Bühne, wo der Alltag, der hyperealistische Traum, die Fiktion, Farblabyrinthe, die Sprache, die Zeichen, die musikalische Vertonung, das Video oder auch das Foto Platz finden. Hier ist jeder unabhängig von den faktischen eingeschlagenen Wegen im eigenen Atelier.
Tuchfühlung heißt die Devise. Und das haben alle gemacht. Tuchfühlung aufnehmen, mit einem Impuls. Naja, man kann ja einiges geschickt bekommen. Ich kann mir auch vorstellen, dass der eine oder andere auch mal zugemacht hat, die Verpackung.
Ein Künstler - eine Idee - in die Post – aus der Post und das Neue, ein Künstler - eine Idee – in die Post – aus der Post.
Ja, aber die Basisvereinbarung, die möchte ich doch erwähnen. Die Skizzierung ist sehr einfach, aber alle haben sich darauf eingelassen und es ist ja auch nicht immer so einfach sich so einem Gesetz zu unterwerfen. Es zeigt aber die Ausstellung, wie gut das funktioniert: DIN A4 Format, in 10 Tagen muss es beim nächsten sein und es muss real geschickt werden. Und die Arbeiten werden einmal im Jahr nur ausgestellt. Findet auch nicht jeder schön, der besonders stolz ist auf sein Kunstwerk und ich behalte meinen Impuls, ob ich ihn liebte oder nicht, zu Hause, bis das Jahr um ist und dann platzier ich ihn hier. Wunderbares Konstrukt!
Die Produktion und Reaktion von 71 Teilnehmern, sozusagen der Reigen, der hier aufgemacht wurde, den sehen wir dieses Jahr und ich bin davon überzeugt, dass das Erforschen und der Impuls der Möglichkeiten hier wirklich eine Essenz liefert. Frei nach dem Motto: Können Gedanken Formen annehmen? Was ist eine Spur? Gibt es eine universelle Archäologie von bestimmten Jahrgängen? Ich behaupte das immer. Aber es bleibt natürlich Ihnen überlassen, ob Sie so was hier wiederfinden. Scheinbar spielerisch, auf keinen Fall wirklich spielerisch. Ein Ausstellungsformat als Hommage an das Kreative.
Die Reruns, ja, die möchte ich unbedingt vorstellen: wenn Sie in den allerersten Raum gingen oder aufmerksam zur Linken geschaut haben, sehen Sie ein Krake. Dann kommt noch mal ein Krake und dann kommt nochmal nix und nix und nix und nix und und nix ganz, ganz, ganz viel Zeit später nochmal zweimal Krake. Eine Perücke im Wasser und eine echt nice Krake, auch wenn sie sehr besorgt schaut. Und das finde ich eigentlich ganz erstaunlich, dass ohne logischen Reim und „ohne Not“ tatsächlich es so was gibt wie die Reruns.
Die Reruns sind in den USA ein Begriff für Viren, die als bekämpft und als ausgerottet gelten und da, nicht nur im klinischen Bereich, vielen Leuten das Leben gekostet haben, sondern tatsächlich von den offiziellen US Behörden vor etwa 25 Jahren als Reruns sind die größte Bedrohung der Welt - nicht die nicht die Kommunisten, nein nein, das hat sich geändert, es gab da mehrere Bedrohungen - aber die Reruns, wurden tatsächlichen im medizinischen Bereich bei den Amerikanern viel früher ernst genommen als von den Europäern, und es gibt sie in der Tat, wie heute ja auch jeder weiß, aber 25 Jahre später.
Die Reruns hier sind keine Bedrohung, sondern es sind Kraken, es sind Kugeln, es sind Strukturen, und ich finde es zauberhaft wie kreative Geister auf eine Sachlage schauen, wie einen Baum oder ein Buch. Ich selber bin immer wieder erstaunt mit welcher Zähigkeit man dem Augenecho hier gelauscht hat.
Eine Spur. Ein Bild. Eine Idee. Ein Künstler. Nein: 71-mal - aus der Post, in die Post. Staunen. Freuen. Sich ärgern. Aufmachen. Stirnrunzeln und beim zweiten Bedenken feststellen: doch, es spricht mit mir. Heißt auch hier und heute in der Ausstellung das Augenechointerpretationen nicht sein müssen aber eine Basis sind, wenn es nicht sofort überspringt, der Funke, wie man es in ein eigenes Format übersetzen kann.
Es ist nicht der reine Spaß an der Vielsprachigkeit. Es ist aber eine Experimentierfreude, eine große Offenheit und auch tatsächlich ein spielerischer Aspekt, sich fern von den eigenen Motiven zu bewegen.
Das finde ich erstaunlich positiv und ich möchte Ernst Gombrich zitieren, ein sehr trockener aber weltberühmter Kunsthistoriker: „Es gibt keine Kunst, es gibt nur Künstler “. “
Ute Kaldune, Kunsthistorikerin